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Archiv-Artikel

Der unerbittliche Kampf um K-Town

Der US-Feldzug gegen Italien endet mit einem 1:1-Unentschieden und gelichteten Reihen auf dem Schlachtfeld

KAISERSLAUTERN taz ■ Bruce Arena, der US-Coach, ist keiner, den man auf den ersten Blick lieb hat. Herrisch seine Gestik, schneidig seine Sprache, markig seine Sprüche und die Nase stets so hoch, dass man Angst hat, er könnte hintenüberkippen. Am Samstagabend in Kaiserslautern aber konnte man zumindest Mitleid mit ihm haben: Als DaMarcus Beasley spät zum vermeintlichen 2:1 eingelocht hatte, stolzierte Arena, 54, kantigen Schritts mit erhobenem Zeigefinger wie ein triumphierender Pfau Richtung Spielfeld. „That’s it. We got it“, sollte das heißen. Aber: Abseits. Kein Tor, der Feldherr trollte sich maulend.

Immerhin, ein 1:1 hatten die US-Amerikaner den favorisierten, an diesem Abend aber von Anfang an fahrigen und matten Italienern abgetrotzt. Am vierten Todestag von Fritz Walter (16 Sekunden Gedenkminute) hatten sie mit Leidenschaft gespielt, druckvoll und mit viel Teamspirit, aber auch auffallend schematisch, ohne Pfiff und überraschenden Witz: Schablonen-Soccer vom Reißbrett.

Vielleicht war es Soccer, Fußball war es kaum. Eher: Krieg auf der Festung Betze, voller Blutgrätschen, Giftigkeit und am Ende mit drei Platzverweisen (WM-Rekord eingestellt). Damit war die Begegnung die logische Fortsetzung seiner Vorgeschichte. US-Forward Eddie Johnson hatte sich auf Besuch bei Irak-Soldaten in einen patriotistischen Rausch gequatscht: „Wir sind hier im Krieg. Sobald wir die Trikots anhaben und die Hymne ertönt, beginnt die Schlacht.“ Italiens Vincenzo Iaquinta hatte entgegnet: „Wenn es für die Amerikaner Krieg ist, dann wird es das für uns auch sein.“

Schon die Aufwärmübungen der US-Krieger sahen nach Militärakademie aus: Auf Kommando Gleichdehn, zackzack, ruckzuck. Übernachtet hatten sie quasi auf dem Felde – für zwei Tage auf dem benachbarten Luftwaffenstützpunkt Ramstein Air Base, um sich unter den Schutz von 35.000 GIs zu begeben: Kaserne statt fünf Sterne. Passenderweise hatte die Bundesregierung ihren Verteidigungsminister Jung als Beobachter auf den herrlich ausgebauten Betzenberg geschickt.

Im Kampf um Group E in K-Town flogen erst der Italiener Daniele de Rossi dunkelrot nach Ellbogenschlag vom Platz, dann auf der Gegenseite Sensenmann Pablo Mastroeni und der rücksichtslose Grätscher Eddie Pope gelbrot. Die Reihen auf dem Schlachtfeld hatten sich gelichtet, die Italiener spielten fast 43 Minuten in Überzahl – aber für besondere Kunst im Felde sind sie seit den römischen Kriegen nicht mehr bekannt. Obwohl sie sich „die Socken heiß gelaufen hatten“ (Andrea Pirlo), war es „ein richtig schlechtes Spiel von uns“ (Alessandro Nesta). Das werden alle Kriegsberichterstatter bestätigen.

Alles war von entsprechenden Analogien durchsetzt. Den Treffer für die US-Boys schaffte ein Italiener: Zaccardo eigentorte durch friendly fire. Alberto Gilardino hatte sein Kopfballtor mit dem sanften Streichen einer Fidel zelebriert, eine Abwandlung der berühmten Jubel-Säge. Deren Erfinder Stefan Kuntz (einst Lautern, jetzt Manager in Bochum) saß auf der Ehrentribüne – in hässlichem Military-Look. Spaß hatte nur der frisch eingeschwebte frühere Feinfuß Franz (K-Town an: 20:41 Uhr): „Fußball ist kein Erholungsheim“, dozierte er, „wenn wir keine Härte sehen wollen, müssen wir zum Basketball gehen.“

Kommandant Bruce Arena, verschwitzt, tobte ein paarmal die Seitenlinie lang und wurde vom vierten Fifa-Offiziellen mit der höchsten Beleidigung belegt, die ein Krieger einstecken kann: Der Aufpasser tätschelte zärtlich Arenas Grizzly-hafte Unterarme. Dennoch hatte Arena „viel Spaß gehabt“, wie er nachher sagte, die Mannschaft habe „einen großartigen Job gemacht“. So spricht auch George W. Bush nach seinen Kriegszügen. Marcelo Lippi sprach von Nervosität im Team, vielen Fehlern und von eigener „dunkler Ahnung“ vorher.

Immerhin: Die US-Boys können mit etwas Schlachtenglück gegen Ghana noch das Achtelfinale erreichen. Ihr erster WM-Sieg auf europäischen Boden steht aber weiter aus. Der Ex-Leverkusener Landon Donovan, am Samstag erneut schwach, hatte vor der WM getönt: „Wenn Griechenland die Europameisterschaft gewinnt, können wir Weltmeister werden.“ Mit Verlaub: Der Titel für die US-Warriors wäre wie ein erfolgreicher Einmarsch der Schweizergarde in New York. BERND MÜLLENDER